Fakt ist: Wir alle müssen uns bewegen. Nein, nicht nur, damit wir “fit” bleiben oder unserer Gesundheit willen. Ich meinte, wir haben keine Chance uns NICHT zu bewegen. Jeden Tag leistet unser gesamtes Bewegungssystem vielfältige Arbeit. Vom Wäsche aufhängen, Rasenmähen, Zähneputzen bis hin zum Spielen eines Musikinstruments, Werfen eines Balls im Sport, Rollen im Bett von einer Seite zur anderen, Hochheben eines Kindes, Hängen, Heben, Gehen, Ziehen, Drücken, Springen.

Was haben all diese Dinge gemeinsam? Bewegung.

Es kann unangenehm werden, wenn unser Bewegungspotenzial im Alltag oder im Sport gehemmt ist, zum Beispiel durch Schmerzen oder Bewegungseinschränkungen. Dies kann viele Fragen aufwerfen.

Warum tut mir nur die linke Seite meines unteren Rückens weh und nicht die rechte? Warum kommt die Verspannung auch nach professionellem Behandeln der Region wieder? Warum fühlt sich mein Körper in einer bestimmten Bewegung meiner Sportart wohl und in einer anderen nicht?

Oft gehen diese Fragen in eine sofortige Behandlung der schmerzenden Region über. Aber wer schaut sich die Zusammenhänge im Körper an? Schließlich bewegen wir uns nicht isoliert in Einzelteilen, sondern in einem Zusammenspiel unseres gesamten Bewegungsapparates von Kopf bis Fuß.

Schmerzen oder Leistungseinschränkungen vermitteln die Nachricht, dass etwas nicht in Ordnung ist, jedoch gibt der Schmerz uns keine weiteren Hinweise in Bezug auf dessen Ursache.

Ist die schmerzende Seite auch ursächlich für den Schmerz? Oft ist dies nicht der Fall. Oder ist der Schmerz nur ein Symptom eines größeren Problems? Wie kann man das herausfinden?

 

Was steuert unsere Bewegungen?

 

Das Gehirn.

 

Für die Bewegungssteuerung ist nicht die Muskulatur direkt verantwortlich, sondern unser Gehirn. Wenn wir uns bewegen, gibt das Gehirn als Schaltzentrale sozusagen “Befehle” an die beteiligten Muskeln, die die gewünschte Bewegung ausführen. Dies geschieht sowohl bei der einfachen Aufgabe, einen Finger zu heben, als auch bei einem dreifachen Salto.

Jede Bewegung, von der einfachen Augenbewegung bis hin zur komplexen Choreographie, wird vom zentralen Nervensystem gesteuert. Bildquelle: pexels.com

Ich vergleiche unser Bewegungssystem gern mit einem Orchester, das von einem hoch begabten, aber faulen Dirigenten geleitet wird.

Wie funktioniert ein Orchester, wenn einzelne Instrumente nicht korrekt gespielt werden? Bildquelle: pexels.com

Für ein Orchester ist es grundlegend, dass die einzelnen Musiker ihr Instrument in hoher Qualität spielen können. Zusätzlich dazu müssen die Musiker ihr Instrument in perfekter Abfolge mit den anderen beteiligten Musikern spielen. Wenn entweder ein Musiker sein Instrument nicht hinreichend beherrscht oder das Zusammenspiel mit den anderen Musikern nicht optimal ist, wird die Symphonie an Qualität leiden. Stellen Sie sich einen sehr fähigen Dirigenten des Orchesters vor, der jedoch faul ist und gern Aufgaben abgibt und schnell einfache Lösungen sucht. Wenn ein Musiker nicht gut genug spielen kann, müssen andere diesen Qualitätsverlust ausgleichen. Auf kurze Zeit funktioniert das vielleicht, aber langfristig wird diese Strategie auffallen und zu Überlastungsproblemen führen.

Unser Bewegungssystem funktioniert nach demselben Prinzip – das Gehirn ist der hochbegabte, aber faule Dirigent und die einzelnen Muskeln mit ihren spezifischen Aufgaben sind die Instrumente, die wir für Bewegung benötigen.

 

Für komplexe Bewegungen im Alltag (Symphonie) ist es daher wichtig, dass auch die daran beteiligten Einzelbewegungen (Instrument) qualitativ hochwertig sind und im optimalen Zusammenspiel mit allen beteiligten Strukturen funktionieren. Dem Gehirn ist die Aufgabe “Bewegung” allerdings wichtiger als “qualitativ hochwertige” Bewegung. Dies ist der Ursprung von Kompensationen.

Der Körper bewegt sich somit in Bewegungsmustern, die im Gehirn (genauer gesagt im sog. Cerebellum, Kleinhirn) verfügbar sind und sich sozusagen “einschleifen”, wenn zum Beispiel ein Kind laufen lernt. Nach jedem Hinfallen wird die Bewegung besser, bis das Kind schließlich laufen lernt und diese effiziente, erlernte Bewegung im Kleinhirn gespeichert wird. Es werden jedoch auch abweichende Bewegungsmuster gespeichert, die Bewegung ermöglichen, wenn eine Verletzung oder Überlastung stattgefunden hat. Dann versucht der Körper, die entstandene Störung zu umgehen und andere Strukturen vermehrt einzubinden. Es entsteht ein Kompensationsmuster.

Beispiele:

Der größte Risikofaktor für eine Verletzung ist eine vergangene Verletzung. Dies liegt unter anderem an einer veränderten neuronalen Bewegungssteuerung. Bildquelle: fotalia.com, ©lassedesignen

  • Verletzungen: Als Jugendlicher haben Sie sich beim Spielen das rechte Knie verletzt. Diese Verletzung führte dazu, dass Ihr Körper eine Schonhaltung (Ersatz – Bewegungsmuster) gebildet hat, die das Körpergewicht vom verletzten rechten Bein auf das linke Bein verlagert, sodass Sie weiterhin die Aktivitäten machen können, die Sie von Ihrem Körper abfordern (Laufen, Springen, Spielen, etc.). Heute, 15 Jahre später, ist dieses Kompensationsmuster immernoch präsent und während Sie für Ihren ersten Halbmarathon trainieren, tragen Sie noch immer das Körpergewicht vermehrt auf der linken Seite und wundern sich schon seit längerem, warum die rechte Seite Ihres Schulter-Nacken – Bereichs ständig schmerzt und viel schneller verspannt ist. Sie sorgen für entsprechende Lockerung und Behandlung der Nackenschmerzen, aber die Probleme kommen wieder. Wahrscheinlich hat sich bisher nie jemand angeschaut, welche Kompensation durch die Verletzung Ihres Knies vor 15 Jahren entstanden ist?
  • Visuelle oder vestibuläre Defizite: Als Sportler ist die neuromuskuläre Stabilität, also die Fähigkeit, Gelenke gegen von außen einwirkende Kräfte zu stabilisieren, entscheiden für Höchstleistungen und die Reduktion von Verletzungen. Diese Stabilisationsfähigkeit ist jedoch völlig spezifisch. Sobald sich eine Kopf- (oder Augen-) bewegung ändert, verändert sich auch der Input an das Gehirn. Das heißt, ein Athlet kann in einer „Standard“ Krafttrainingsübung total stabil und stark sein, wenn er seinen Kopf bewegt jedoch nicht. Wie analysiert man diese Defizite und wie trainiert man sie individuell passend auf? Hier besteht ein sehr großer Trainingsmangel bei fast jedem(r) professionellen Athleten(innen).

Innerhalb komplexer sportlicher Handlungen ist es essentiell, dass das Gehirn so viele Reize wie möglich als vorhersehbar und sicher einstuft. Quelle: pexels.com

  • Einseitige Haltung: Sie arbeiten mehrere Stunden täglich in einer sitzenden Position und fahren mit dem Auto zur Arbeit. In Ihrem Kleinhirn wird durch die dauerhafte Haltung eine neuromuskuläre Schwäche der Gesäßmuskulatur gespeichert. Wenn Sie sich bewegen, fällt es dem Körper nach jedem Mal Sitzen schwerer, entscheidende Muskeln in der Hüfte anzusteuern. Sie entwickeln ein Kompensationsmuster, bei dem die Wadenmuskeln verstärkt angesteuert werden, um den Stabilitätsverlust in der Hüfte auszugleichen. Sie entwickeln Wadenkrämpfe, die trotz Magnesiumeinnahme nicht vergehen. Sie entwickeln eine Plantarfasziitis (Entzündung der Beugesehnen in der Fußsohle) und vielleicht auch Rückenschmerzen. Sie werden intensiv mit manueller Therapie und Schmerzinjektionen behandelt. Wurden jemals die Zusammenhänge zwischen Ihrer Hüftmuskulatur und den Waden- / Fuß- / Rückenproblemen überprüft?

Vielfältige, komplexe Bewegung im Alltag sind von immenser Bedeutung. Monotone Bewegungen bzw. einseitige Körperhaltungen führen zu Kompensationsmustern im Bewegungssystem. Bildquelle: pexels.com

  • Überbelastung: Eine Mutter hält Ihr Kind während des Wachstums für lange Zeit nur auf der einen Seite Ihrer Hüfte. Jahre später entwickelt sie Schmerzen im Oberschenkel auf genau dieser Körperseite. Bei ihr wird Bursitis Trochantericae, einer Entzündung des großen Rollhügels des Oberschenkels diagnostiziert. Sie bekommt danach Massage, Schmerzmanagement und Einlagen für Ihre Füße, doch diese Maßnahmen schaffen nur kurzzeitige Abhilfe. Hat ihr jemand beigebracht, ihr Gewicht wieder auf das entgegengesetzte Bein zu verlagern?
  • Sportartspezifisches Training: Ein Sprinter trainiert seinen Kniehub (Anheben des Schwungbeins aus der Hüfte) vermehrt mit angezogenen Zehen, um die vorderen Muskelketten effektiver einzusetzen. Aufgrund der hohen Trainingshäufigkeit und der Eindimensionalität im Training schleift sich jedoch das Bewegungsmuster ein, sodass sein Gehirn die Beugung aus der Hüfte nur noch sauber ansteuern kann, wenn die Zehen angezogen sind. Die Abhängigkeit der Hüftbeugermuskulatur von der gleichseitigen Zehenstreckermuskulatur wirkt sich dahingehend aus, dass der Athlet Instabilitäten im Rumpf entwickelt, die primär neuronal basiert sind. Wie kann der Athlet diese neuronale Verschaltung so trainieren, dass sie ihm für seine Sportart hilft, aber ihm kein höheres Verletzungsrisiko beschert?

Gerade im Hochleistungssport sind Kompensationsmuster ein essentielles Thema. Nicht jede Kompensationsbewegung ist per se schlecht. Entscheidend ist es, herauszufinden, wann welche Kompensationsmuster dem Sportler mehr Verletzungsrisiko zufügen, als sie für seine Sportart nützen. Bildquelle: pexels.com

  • Chronischer Stress: Ihr Job verlangt Ihnen mehr Arbeit ab, als Ihnen eigentlich recht ist. Sie vernachlässigen dadurch wertvolle Zeit für Ihre persönlichen Hobbys und auch für die Familie. Der zunehmende Druck macht sich auch in Ihrer mentalen Stimmung bemerkbar. Sie fühlen sich gefangen, wollen aber nicht aufgeben. Sie fangen in anstrengenden Situationen an, die Zähne zusammenzubeißen, auch nachts knirschen Sie mit den Zähnen. Ihr Körper speichert diese Energie, die Muskeln Ihres Kiefergelenks sind permanent auf Hochspannung. Sie bekommen Spannungskopfschmerzen, die durch die üblichen Mittel nicht zu beseitigen sind. Auch nach der Behandlung bei einem Kieferspezialisten gehen die Spannungen nicht weg. Selbst Ihr Kiefergelenk kann eine Überkompensation entwickeln, die mit speziellen Techniken identifiziert werden kann.

Narben haben einen bedeutsamen Einfluss auf das Nervensystem und die Bewegungssteuerung, da der „Input“ der Haut gestört ist. Bildquelle: fotalia.com, ©Artem Furman

  • Operation: Ihnen wurde der Blinddarm herausgenommen. Während die Wunde heilt, wird die Ansteuerung der Bauchmuskulatur geschwächt. Diesen Stabilitätsverlust im Bauchraum versucht Ihr Körper auszugleichen, indem er Ihre Lendenwirbelsäule komprimiert (zusammendrückt). Jahre später äußert sich dieses Kompensationsmuster in Schmerzen, die nach üblicher Behandlung keine vollständige Linderung zulassen. Hat bisher jemand überprüft, ob die Narbe von der Blinddarm – OP die Bewegungssteuerung beeinflusst hat?

Wenn Sie merken, dass Ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist (egal ob im Sport oder im Alltag), sie Ihre Beschwerden nicht vollständig loswerden oder sich wiederholt verletzen, gehen Sie davon aus, dass in Ihrem Gehirn fehlerhafte Bewegungsmuster gespeichert sind.

Wie kann ich helfen?

 

Mit Hilfe von neurobasierten Tests bin ich in der Lage, Kompensationsmuster in Form von neuromuskulären Dysbalancen aufzudecken.  Dabei ist nicht nur eine geschwächte oder überlastete Struktur im Blickpunkt, sondern die Bewegungssteuerung im Gehirn und somit das Zusammenspiel der jeweiligen Struktur mit dem gesamten Bewegungsapparat.

 

Durch diesen Ansatz werden Sie aufhören, Symptomen hinterherzujagen und anfangen, Ursachen zu suchen.

 

Die fehlerhaften Bewegungsmuster können teilweise sehr schnell korrigiert werden, je nachdem wie kompliziert die Kompensationen mit weiteren Strukturen im Körper zusammenhängen. Für ein optimales “Einspeichern” neuer Bewegungsmuster zeige ich Ihnen gezielte, individuelle Übungen, die zuhause oder innerhalb des aktuellen Trainingsprozesses durchführbar sind und somit einen bestmöglichen Behandlungsverlauf ermöglichen.

 

Denken Sie an die Mutter, die Ihr Kind jahrelang auf einer Seite trägt; den Musiker, der sein Instrument jahrelang in ein und derselben Position spielt. Den Sportler, der einseitig trainiert oder mit einer Körperhälfte vermehrt Probleme hat. Der Busfahrer, der nach einer Gehirnerschütterung starke Verspannungen im Nacken hat. Der Tennisspieler, dessen Schwung nach der Blinddarmoperation nie wieder derselbe war.

 

Wie läuft eine Einheit ab?

 

Ich nehme mir Zeit, Ihre Bewegungs- und Verletzungsgeschichte, sowie aktuelle Themen aufzugreifen. Danach analysiere ich gezielt Ihre Bewegungen, von der einfachen Gelenkbewegung bis hin zu komplexen Ganzkörperbewegungen. Ich überprüfe mittels neurologischen und funktionellen Tests die Bewegungsfähigkeit und neuromuskuläre Funktion Ihres Bewegungssystems. Nachdem wir zusammen herausgefunden haben, wie Ihr Gehirn mit dem restlichen Bewegungssystem kommuniziert, nutze ich manuelle Lockerungstechniken sowie Mobilisations- und Ansteuerungsübungen und zeige Ihnen mittels genauem Coaching gezielte Übungen und Bewegungen, die in den Alltag oder in den Trainingsprozess integriert werden können und auf Ihre Fähigkeiten und Bedürfnisse hin angepasst werden.

Fangen Sie nicht bei den Symptomen an, sie sind nur eine Reaktion.

Fangen Sie an, umzudenken.

Lassen Sie Ihre Bewegungsqualität untersuchen.

 

 

“Die reinste Form des Wahnsinns ist es, alles beim Alten zu lassen und trotzdem zu hoffen, dass sich etwas ändert.” – Albert Einstein