Gastartikel von Michael Erhart

©ManuTormo

In so technik-affinen Sportarten wie dem Motorsport werden Lösungen zur sportlichen Leistungssteigerung meist primär in der Hardware – also im Rennfahrzeug – vermutet und (unter hohem Geldeinsatz) gesucht. Mit Soft-skills wie neurozentriertem Training zu arbeiten, wo nicht am Rennfahrzeug angesetzt wird, sondern – mit kaum Investment dafür umso effektiver – bei Athlet*In, ist hier eher untypisch.

Nichtsdestotrotz baute und baut der Autor dieser Story den Motorradrennsport unermüdlich zu seiner ganz persönlichen Neuroathletik-Nische aus. Vielleicht darf an dieser Stelle hingewiesen werden, dass es sich hier nicht um »normales« Motorradfahren – auf der Straße oder hobbymäßig in Form von sog. Trackdays auf Rennstrecken – handelt, sondern um professionellen Rennsport. MotoGP bzw. World SuperBike und deren – Nachwuchsfahrer*Innen  »zuliefernde« – Unterkategorien.

Warum liegen im Motorradrennsport überaus hohe (Verbesserungs-/Therapie-)Potenziale durch neurozentriertes Training verborgen?

1. Professioneller Motorradrennsport stellt eine außergewöhnliche sensorische Herausforderung dar. Aufgrund des – selbst für einen Hobbymotorradfahrer kaum nachvollziehbaren – unglaublich hohen gefahrenen Speeds im Racing sind das visuelle und das vestibuläre System sowie die Propriozeption jeden Sekundenbruchteil gefordert. Um Weltklasse zu werden, bedarf es obendrein top entwickelter, akrobatischer körper-motorischer Fähigkeiten. Ob der Pilot ein in der Kurve wegrutschendes Motorrad durch blitzschnelle körper-motorische Gegenreaktion wieder zu stabilisieren vermag – in der Fachsprache nennt man so ein erfolgreiches Manöver einen »Save« – oder bei 200 km/h im hohen Bogen auf den Asphalt geschleudert wird (Fachterminus »Highsider«), das positiv zu beeinflussen ist eine geniale Spielwiese für Neuroathletik-Training.

2. Die bereits erwähnten, extrem hohen Geschwindigkeiten bedeuten auch, dass vermutlich mehr als 90 % einer Rennrunde oder eines ganzen Rennens auf Basis von Reflexen stattfinden. Offerieren in einem Rennauto lange Geraden von Rennstrecken durchaus einige Sekunden Gelegenheiten zum bewussten Überdenken der aktuellen Situation samt rationaler Handlung, so bleiben frei sitzend am Rennmotorrad mit 300 und mehr km/h (MotoGP Speedrekord 366,1 km/h) nur Sekundenbruchteile für willkürliche Intervention des Frontallappens.

3. Ohne jetzt ein übertriebenes Heldenepos aufbauen zu wollen – latente Lebensgefahr ist der Sozius jedes professionellen Motorbike-Racers. Schwerste Unfälle, auch mit tödlichen Folgen sind zwar nicht Alltag, eine Seltenheit leider jedoch absolut nicht. In den vergangen vier Jahren verstarben in unserem Umfeld sechs Fahrer. Kurzum: Die oft zitierte »Ist-das-sicher?-Frage« des Gehirns ist mehr als berechtigt. Eine Verbesserung des sensorischen Inputs durch neurozentriertes Training wird also auch aus Sicht des Sicherheitsempfindens des Gehirns eine Verbesserung des motorischen Outputs bedeuten.

4. Motorradrennfahrer profitieren in ihren Rundenzeiten von möglichst geringem Körpergewicht. Daher wird das Training von den meisten Protagonisten ausgesprochen GA-lastig angelegt. Stundenlanges Ergometerfahren in der Hoffnung, Körperfettanteil bzw. BMI noch um ein Zehntel zu reduzieren, mündet – so zumindest die subjektive Einschätzung und Erfahrung des Autors – in einer Abstumpfung der in der Neuroathletik trainierten Sinne. Zaundürre, sich schlaksig und linkisch bewegende junge Menschen, die dann ein Rennmotorrad an der physikalischen Grenze bewegen, wobei die Reifenauflagefläche der Größe einer Kreditkarte entspricht, sind auf den Rennstrecken dieser Welt keine Seltenheit. 

5. Auf den Kopf zu fallen oder zumindest bei einem Sturz einen hohen Beschleunigungsimpact am Kopf zu erfahren, ist im professionellen Motorradrennsport Alltag. Würde ein Hobbymotorrad(renn)fahrer alles tun, um einen – mal mehr, mal weniger, aber dafür garantiert immer – schmerzvollen Sturz zu vermeiden, so gehört ein »Abflug« bei den Profis und vor allem beim jungen, wilden Nachwuchs zur absoluten Verständlichkeit. Die Rookies (mit 14 Jahren geht’s auf der Profi-Bühne los) kennen mangels in diesem Alter noch gar nicht ausgebildeter kortikaler Risikoeinschätzung weder Gefahr noch Angst davor. Aber auch die erwachsenen Topstars crashen oft genug: Spaniens coming MotoGP-Hero Pedro Acosta stürzte in den ersten 80% der Saison 2024 sage und schreibe 24 mal. Kurzum: mTBIs, also scheinbar milde Gehirnerschütterungen zu übergehen, ist in diesem Sport Selbstverständlichkeit bis Tugend. Sogar vom Racer selbst gefühlte Anomalien und Beschwerden, die auf eine Concussion eindeutig hinweisen, würde dieser im Medical Center (wo die Piloten zu einer Untersuchung gebracht werden nach heftigen Stürzen) erst gar nicht thematisieen, um nicht Gefahr zu laufen, aus dem Rennwochenende auszuscheiden aufgrund »medical disqualification«.

Es kommt in diesem Sport immer wieder vor, dass ein Pilot »plötzlich« total sein Gefühl fürs Motorrad verliert, dass völlig unerklärliche Formtiefs – gefolgt von laufend weiteren Stürzen – auftreten und ein verlässlicher Rennsieger wie aus heiterem Himmel über Platzierungen im Mittelfeld nicht mehr hinauskommt. Niemand in diesem Sport – mit Ausnahme des Autors dieser Zeilen – würde einen kausalen Zusammenhang zu Impacts auf den Kopf herstellen. Hinterfragt man jedoch dann – »what happend before happend what happend« – seit wann denn die Form wie abgerissen sei: Man endet immer bei einem Sturz…

6. Use it or lose it: Lange Rehabilitationszeiten sind obendrein part of the game. Typisch wären hier zB. langwierige Sprunggelenksverletzungen, welche nach zahlreichen operativen Eingriffen monatelang zur Verwendung von Gehilfen zwingen. Nach einem Jahr Pause zurück am Motorrad, hadern die meisten auch hier wiederum mit ihnen »unerklärlichem« Rückstand in den Rundenzeiten. Komisch, warum man plötzlich deutlich langsamer ist, wenn ja doch »nur« das Sprunggelenk verletzt war. Auf die Idee, dass sowohl das vestibuläre als auch das visuelle System nach einem halben Jahr Krückengehen Defizite aufweisen könnten, darauf käme hier niemand. Von leistungsminimierenden Einflüssen neuronaler Schutzmustern aus der Propriozeption gar nicht zu sprechen…

Das Betätigungsfeld für Neuroathletik-Trainer wäre also um Welten größer, als das bei den Athleten und deren Umfeld dafür benötigte Verständnis bzw. die Bereitschaft, einmal etwas Neues zuzulassen. Die eingangs erwähnte, alles und alle beherrschende Technik-Affinität, tut ihr übriges. Daher erwies es sich in der Arbeit des Autors als immenser Vorteil, möglichst viele technische Komponenten/Spielereien ins Neurotraining einzubauen. Sich mit zwei Visionsticks hinzustellen oder Rennfahrern gar nur bloße Finger für visuelle Tests/Drills entgegenzustrecken – zu wenig technischer Schnickschnack, um hier gut anzukommen. Mehr dazu etwas später in der Story.

Im Folgenden einige Praxis-Beispiele aus der Zusammenarbeit mit einem 19-jährigen Moto3-Fahrer aus der Junioren-WM bzw. dem Red Bull Rookies Cup, der sich über drei Jahre hindurch nun schon bereit zeigt, Neuroathletik fix in sein Trainingsprogramm zu integrieren. Off-Season trainiert er mindestens 3-mal wöchentlich 30 Minuten visuell, vestibulär und propriozeptiv. In-season je nach Feeling und Zeit. Etwa auch integriert in die allwöchentlichen Wartezeiten auf Flughäfen am Weg zu/von Rennen (Augendrills im Einbeinstand ;-). Besagter Pilot stammt aus Österreich und begann mit 15 Jahren erst – sehr spät – mit dem Motorradrennsport. Da haben die in der Welt des Motorradrennsports führenden Spanier und Italiener in der Regel um 7-10 Jahre (!) mehr Erfahrung am Bike, beginnt man dort tatsächlich bereits mit Kleinkindern auf MiniGP-Bikes konsequent und systematisch zu arbeiten.

Insider der Szene äußerten sich wiederholt erstaunt und anerkennend, wie unglaublich schnell der Österreicher diese fehlenden Jahre aufgeholt und den Anschluss gefunden hätte trotz des vergleichbar geringen Trainingsalters. Dass das gezielte, von uns individuell auf den Motorradrennsport abgestimmte Neuroathletik-Training sowie Mobility-/Agility-Programm mit neurozentrierten Elementen einen wesentlichen Anteil daran haben, bezweifeln weder der Athlet selbst, noch sein Umfeld. Ein Wort noch zur Fitness: Den traditionellen, jährlich vom APC – dem Red Bull Athlete Performance Center – abgehaltenen Fitnesstest unter den Piloten gewann besagter Athlet souverän, z.B. mit einer Laufleistung von 3,7 km in den vorgegebenen 12 Minuten.

 

Visuelles Training:


Lassen Sie mich – hier bewusst gegen die übliche Hierarchie im Neurotraining – mit Facts aus dem visuellen Training beginnen. Sämtliche jemals getestete Rennfahrer*Innen (wir arbeiten auch mit professionellen Auto-/Kart- und Powerboat-Piloten), die bei Nah-Fern-Sakkaden eine geringe Leistungsfähigkeit hinsichtlich Wiederholungsgeschwindigkeit und/oder Wiederholungszahl der Blicksprünge zeigten, hatten auch Schwierigkeiten mit korrekten Bremspunkten auf der Rennstrecke. Noch drastischer ausgedrückt, der Autor dieser Zeilen machte sich schon den Spaß, ihm persönlich unbekannten Fahrer*Innen mit Schwächen im Nah-Fern-Sakkaden-Test folglich eine Schwäche bei Bremspunkten an den Kopf zu werfen und bekam immer dieselbe Antwort: „Ja, stimmt absolut, aber woher weißt du das?“  Für uns steht der kausale Zusammenhang zweifelsfrei fest. Interessant dabei: Die Fahrer*Innen verbremsen sich nicht, indem sie häufig zu spät bremsen und sich so den Einlenkpunkt in die Kurve vermasseln. Sie bremsen zu früh, früher als notwendig (Selbstschutz des Gehirns!?) und verschenken so Zeit unter Vollgas. Eine erhöhtes Sicherheitsempfinden zu schaffen mittels visuellem Training erwies sich hier als zielführende Intervention.

 

Visuelles Training in sportspezifischer Haltung:

In sitzenden Position in Kart, Auto oder Rennboot weniger Rolle spielend, verändern sich jedoch die Ergebnisse visuellen Trainings in den unterschiedlichen Positionen am Motorrad bei manchen Fahrer*Innen deutlich. Sprich, es macht bisweilen einen gewaltigen Unterschied, ob Augendrills aufrecht stehend absolviert werden oder in der Körperhaltung wie etwa bei der Fahrt auf einer Geraden – nämlich tief geduckt auf dem Tank des Motorrades liegend. Der Winkel der Augen verändert sich hierbei wie auch bei der Simulation extremer Schräglagen so drastisch, dass völlig differierende Stressreaktionen entstehen können. Auch zeigen sich zweifelsfrei Unterschiede bei Augentests-/drills in diesen Körperhaltungen bei ein und demselben Piloten, jedoch nach einem Sturz mit direktem Impact bzw. hohen Schleuderkräften auf den Kopf.

Umso ungewöhnlicher die Augenbewegungen bzw. Blickwinkel sind, desto konsequenter bauen wir diese ins Neurotraining ein. ©RedBull Media House

Diesem spannenden Gebiet widmen wir daher aktuell große Aufmerksamkeit. Der bereits wiederholt erwähnten Technik-Affinität der Branche entsprechend, arbeiten wir gerade an der Realisierung eines – in dieser Form vermutlich weltweit ersten und einmaligen – Neuro-Bike-Simulators: Eines echten Rennmotorrades, welches mittels Fernsteuerung vom Coach hydraulisch in verschiedenste reale Schräglagenwinkel gebracht werden kann, während der Proband am Bike vor sich auf einem Großbildmonitor digitale visuelle Tests/Drills absolviert – wobei gleichzeitig die Augenbewegungen mitgefilmt sowie Herzfrequenz plus HRV mitprotokolliert werden. Von diesem »High-Tech-Equipment« erwarten oder zumindest erhoffen wir uns einen wesentlichen Zugewinn an Akzeptanz von neurozentriertem Training im Motorradrennsport. Von spannenden Erkenntnissen und »Forschungsergebnissen« ganz abgesehen.

 

Periphere Wahrnehmung:


So sicher, wie jemand mit Mankos in der Akkommodation Bremspunkte nicht fehlerlos trifft, so sicher – unserer Einschätzung plus Erfahrung nach – wird auch ein Pilot mit eingeschränkter peripherer Wahrnehmung beim Start eines Motorradrennens auf den ersten hunderten Metern – auf der Startgeraden und beim Einbiegen des breit aufgefächerten Teilnehmerfeldes in die erste Kurve – wertvolle Platzierungen einbüßen. Natürlich ist die periphere Sicht durch den Helm bereits eingeschränkt, dennoch: Umso weiter der Winkel, umso weniger tunnelartig der Blick, desto besser kann die visuelle Aufmerksamkeit nach vorne zum Einlenkpunkt in Turn 1 gerichtet trotz gleichzeitigem, peripheren „Im-Auge-Behalten“ der anderen Konkurrenten, die zu mehrt neben einem auch mit 200 Km/h und mehr auf die erste Kurve zurasen. Verlangt die Sicherheitsabfrage des Gehirns hier eine Kopfrotation, ein Anwenden des Fokus zur Seite der Konkurrenten, ist der Blick für Sekundenbruchteile nicht mehr auf den heranfliegenden Brems- und Einlenkpunkt gerichtet. Auch diese Unsicherheitslage lässt – unserer Interpretation nach – Piloten zurückstecken, weil das Gehirn auf Nummer Sicher geht. Daher gehört das Training der peripheren Sicht/Wahrnehmung zu unseren Standards, wie generell Augentraining durchaus auch als »visuelles Konditions- und Krafttraining« betrieben wird. Sobald die Augen, die im ultra-schnellen Motorradrennsport echt gefordert sind, müde werden, fällt auch das Konzentrationslevel in den Keller. Es passieren mehr Fehler, die Zeit und Platzierungen gegen Rennende kosten oder häufig zu Stürzen führen. In der Regel wird den Reifen und deren mit Fortdauer des Rennens abbauender Haftung am Asphalt die Schuld zugewiesen. Unserer Einschätzung nach findet sich der Grund aber vielmehr im rapiden Abbau der Augen-Performance des Fahrers, kausal gefolgt von kleinen Fahrungenauigkeiten bis zu groben Schnitzern samt Landung am Hosenboden als Worst-case.

Die in der Neuroathletik allgemein übliche und empfohlene Vorgehensweise von Test – Intervention/Drill – Re-Test berücksichtigen wir selbstverständlich in unserer Arbeit. Primär jedoch als Kontrolle, ob sich eine Übung in der Form oder Intensität, wie wir sie anwenden, nicht als kontraproduktiv erweist. Umso schneller, präziser und ausdauernder die Augen, umso akkurater das Gleichgewichtssystem, umso feiner die Propriozeption – desto besser, schneller und kontrollierter wird die körpermotorische Bewegung des Piloten am Motorrad und damit dessen Steuerung sein. Also sehen wir hier hochentwickelte Fertigkeiten als Must-have an. Wie erwähnte Akkommodation beispielsweise. Im Umkehrschluss: Wer – aus welchen Gründen auch immer – seine benötigten sensorischen Fähigkeiten nicht entsprechend trainieren kann, wird wohl auch kein professioneller Motoradrennfahrer bzw. -rennfahrerin und gehört in Wahrheit auch nicht auf eine 300 km/h schnelle »Waffe auf zwei Rädern«. Insofern richten wir unsere Aufmerksamkeit zugegebenermaßen mehr auf Work-load und Regelmäßigkeit im Neurotraining, ohne jetzt nach jedem Drill zu re-testen. Zum Start eines Trainingsprogramms bzw. bei mTBI-Verdacht tun wir dies selbstverständlich deutlich sorgfältiger.

VOR-Drills auf dem Balance Board mit Helm auf. Unter dem blauen Tape am Nacken des Fahrers befindet sich ein spezieller Chip, der die Zellschwingung in Cerebellum und Hirnstamm positiv beeinflussen soll (und dies auch in allen Praxiseinsätzen über viele Jahre auch tat) ©Erhart KG

 

In unseren vielfältigen Trainingsalltag bauen wir auch sensorische Inputs oder deren Reduktion mit ein. Mobility-Drills etwa kombiniert mit akustischen Reizen (vom Metronom bis zu störendem Lärm via Kopfhörer), visuellen Einschränkungen (Loch- & Stroboskopbrille) plus Helm auf dem Kopf usw. – unserer Kreativität lassen wir hier jede Freiheit. Neue ungewöhnliche Inputs zu (er)finden, ist generell integraler Bestandteil unseres Coaching-Approachs. Selbst beim Training am Bike »schrecken« wir davor nicht zurück. Nun muss man wissen, dass selbst die Topstars der Szenen sehr viel mit sog. Pitbikes oder MiniGP-Bikes auf Kartbahnen trainieren. Mit diesen deutlich kleineren, maximal 140 km/h schnellen, aber auf den viel engeren Kartbahnen extrem wendigen Mopeds können Trainings überaus effektiv und effizient gestaltet werden, ohne großer Lebensgefahr. Dort intergieren wir immer wieder einmal neurozentrierte und vor allem »neuro-verrückte« Ideen, wie etwa einäugiges Fahren mit Augenklappe…  

Matchen am Pitbike. Im Vordergrund MotoGP-Star Johann Zarco (F) ©Michael Jurtin

Auch dem Training des vestibulären Systems widmen wir höchste Aufmerksamkeit. In Form von täglichen Übungsprogrammen, aber auch zum Warm-up vor einem Rennen bzw. unmittelbar vor dem Rausfahren mit dem Bike auf die Rennstrecke.

Wie immens förderlich ein hoch entwickeltes Gleichgewichtssystem im Motoradrennsport ist, dies demonstriert aktuell eindrucksvoll der Türke Toprak Razgatlioglu, seit kurzem Weltmeister der World Superbike 2024. Toprak ist ein wahrer Bewegungskünstler und Körperakrobat am Bike und abseits dessen. Gerne imponiert er der staunenden Menge im Fahrerlager mit artistischen Showeinlagen (Kopfstand am Asphalt mit Helm auf dem Kopf und kerzengerader, völlig wackelfreier Ausführung), die alle extreme Körperbeherrschung, -motorik und Gleichgewichtsfähigkeiten voraussetzen. Neurozentriertes Training wird durch ihn greifbar: Wozu das alles? Um möglichst so beweglich zu werden wie World Champion Toprak.

Die Verbesserung des vestibulären Systems integrieren wir – wie auch visuelle Drills – in den Alltag, ob im Training oder abseits dessen. Unsere Athleten joggen nicht einfach nur, sie bauen dabei diverse Kopfbewegungen, VOR-Drills, vorwärts und rückwärts laufend, visuelle Einschränkungen, Bälle aufwerfen usw. mit ein. Jede(r) unserer Athlet*Innen besitzt ein von uns entworfenes und produziertes Balance Board, auf welchem vielfältige visuelle und vestibuläre Drills absolviert werden oder einfach nur im TV ein Motorradrennen/Fußballspiel verfolgt wird. Ohne dass dabei – vorher als Prognose abgegeben, um den Druck zu steigern – zB. 45 Minuten vom Board gestiegen werden darf. So versuchen wir, das vestibuläre System bzw. das Gehirn auch an Dauerbelastungen in Länge eines Rennens zu gewöhnen. Und eine dreiviertel Stunde am Balance Board fernzusehen, ist eine Challenge, garantiert! Im Tandemstand Sakkaden zu machen – so bekommt sogar das Anstellen beim Boarding zum Flieger einen Sinn. Mag etwas exzentrisch klingen, aber so braucht man Neuroathletik, zumindest in den Basics, nicht extra zu trainieren, sondern baut solche Inputs in langweilige und nicht verhinderbare Alltagsszenen ein.            

Unsere vermutlich wichtigste, weil von den Fahrern am intensivsten spürbare neurozentrierte Maßnahme ist die Einführung eines Neuro-Warm-ups vor Rennen oder Trainings am Bike. Wärmen sich die allermeisten Fahrer*Innen bloß muskulär auf – unserer Neuro-Sicht nach überaus kontraproduktiv am Ergometer, im besten Fall noch mit Schnurspringen – so haben wir ein spezielles Warm-up entwickelt, das mit individuellen Übungen neben der Muskulatur mit Propriozeption beginnend über Augendrills und kreative Gleichgewichtsübungen vor allem die Sensorik aufwärmt. Jeder, der dies schon getan hat – die ersten Male unter unserer Anleitung, dann selbstständig – ist hellauf begeistert und berichtet von einem deutlich besseren Fahrgefühl und auch davon, sich am Bike viel schneller wohl und sicher zu fühlen. Braucht das Gehirn sonst einige Runden, um sich »einzufahren«, so sind feiner sensorischer Input gefolgt von bestem motorischen Output mit unserem Warm-up sofort verfügbar.

Über den Autor:

Michael Erhart betreibt in Niederösterreich sein BRAINERQi® Neuro Performance Center. Ursprünglich vor bald 25 Jahren aus dem Bereich Mentaltraining bzw. Sportpsychologie kommend, beschäftigte er sich stets ganzheitlich orientiert mit seinen Coachees, so auch jahrelang mit Humanenergetik, Prävention, Ernährung usw., um seit 2019 in neurozentriertem Training und funktioneller Neurologie sein persönliches »connecting link« all seiner Disziplinen gefunden zu haben, welches ihm eine völlig neue Sichtweise und ein breiteres Verständnis eröffnete. Und so zu seiner »Passion of a Lifetime« avancierte. Aktuell arbeitet Michael Erhart in Kooperation mit einem Bundesliga-Fußballspieler daran, seine Trainingsideen, Erfahrungen aus dem Motorsport und innovativen entwickelten Neuro-Tools auf den grünen Rasen zu übertragen. Darüber hinaus sind neurozentrierte Präventionsprogramme für Senioren am Entstehen.
Ein ganz persönlicher Dank des Autors an dieser Stelle an Daniel Müller für das von ihm erlernte Wissen zu diesem Thema!

Kontakt:

https://ready-to-win.com/wp19/